Schreiben – kurz gefasst

by Volker Diels-Grabsch, Tobias Florek and Berit Grußien

German translation of Paul Graham's "Writing, Briefly"

Created 2006-07-17, Last updated 2010-05-10
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Original

Writing, Briefly by Paul Graham

Schreiben – kurz gefasst

März 2005

(Als ich eine E-Mail beantwortete, schrieb ich zufällig einen kleinen Essay über das Schreiben. Normalerweise arbeite ich an einem Essay wochenlang. Für diesen hier brauchte ich nur 67 Minuten – 23 zum Schreiben, und 44 zum Überarbeiten.)

Ich denke, es ist viel wichtiger, gut zu schreiben, als den meisten Leuten klar ist. Schreiben vermittelt nicht nur Ideen; es erzeugt sie. Wenn du im Schreiben schlecht bist und es deshalb nicht magst, wirst du auf viele Ideen verzichten, die dir sonst beim Schreiben gekommen wären.

Zum guten Schreibstil hier eine Kurzfassung:

  1. Schreibe so schnell es geht eine schlechte erste Version.
  2. Überarbeite sie wieder und wieder.
  3. Kürze alles Unnötige heraus.
  4. Schreibe in umgangssprachlichem Ton.
  5. Entwickle einen Riecher für schlechtes Schreiben, sodass du es in deinen eigenen Texten bemerkst und beheben kannst.
  6. Imitiere Autoren, die du magst.
  7. Wenn du keinen Anfang findest, erzähle jemanden, worüber du schreiben möchtest. Dann schreibe auf, was du ihm erzählt hast.
  8. Rechne damit, dass 80% deiner Ideen erst beim Schreiben kommen, und 50% deiner ursprünglichen Ideen Unsinn waren.
  9. Sei selbstsicher genug, auch zu streichen.
  10. Vertraue das Geschriebene Freunden an, die dir verwirrende und holperige Stellen aufzeigen.
  11. Beginne nicht (immer) mit einem auführlichen Konzept.
  12. Überdenke deine Ideen ein paar Tage, bevor du mit dem Schreiben beginnst.
  13. Trage einen kleinen Notizblock oder Schmierzettel mit dir herum.
  14. Beginne mit dem Schreiben, sobald dir ein Anfangs-Satz einfällt.
  15. Wenn dich ein Abgabetermin zwingt, vorher zu beginnen, wähle einfach den wichtigsten Satz als Anfang.
  16. Schreibe über etwas, das du magst.
  17. Versuche nicht, eindrucksvoll zu klingen.
  18. Zögere nicht, nebenher den Titel zu ändern.
  19. Benutze Fußnoten, um Ausschweifungen aufzufangen.
  20. Benutze Anaphern, die deine Sätze zusammenhalten.
  21. Lese deine Essays laut vor, um zu sehen,
    1. an welchen Stellen du über schwierige Sätze stolperst, und
    2. welche Stellen langweilig sind (die Absätze, die du nicht mehr sehen kannst).
  22. Versuche, dem Leser etwas Neues und Nützliches mitzuteilen.
  23. Arbeite in möglichst großen Zeitblöcken.
  24. Wenn du dich wieder daran setzt, beginne damit, deinen bisherigen Text nochmals durchzulesen.
  25. Wenn du aufhörst, lass dir etwas Einfaches übrig, mit dem du später wieder anfangen möchtest.
  26. Sammle Notizen über die Themen zukünftiger Essays am Ende der Datei.
  27. Fühle dich nicht verpflichtet, irgendeine davon in die Tat umzusetzen.
  28. Schreibe für Leute, die den Essay niemals so gründlich lesen werden wie du; genauso wie Popmusik dafür geschaffen ist, auch auf schrottigen Autoradios vernünftig zu klingen.
  29. Wenn du irgend etwas Falsches schreibst, korrigier es unverzüglich.
  30. Frage deine Freunde, welchen Satz du später am meisten bereuhen wirst.
  31. Setze dich wieder an den Text und entschärfe die bissigen Bemerkungen.
  32. Veröffentliche deinen Kram im Internet, denn eine Leserschaft motiviert dich, mehr zu schreiben, wodurch dir mehr Ideen kommen.
  33. Drucke deine Entwürfe aus, statt sie nur am Bildschirm zu betrachten.
  34. Benutze einfache, deutsche Worte. Vermeide Fremdwörter und Anglizismen.
  35. Erlerne den Unterschied zwischen Verblüffungen und Ausschweifungen.
  36. Lerne, ein auftauchendes Ende zu erkennen. Sobald sich eines anbietet, greif zu!